Lieferkettengesetz
Wie die Blockchain vor Strafzahlungen schützen kann
Nur ca. 20% der deutschen Firmen kommen aktuell ihrer Sorgfaltspflicht nach, die Einhaltung von Menschenrechten in ihrer Lieferkette sicherzustellen und zu dokumentieren. Damit wird eine gesetzliche Regelung in Form eines Lieferkettengesetzes wahrscheinlicher. Durch inkrafttreten eines Lieferkettengesetzes müssten Unternehmen nachweisen, dass ihre Lieferanten (von Tier 1 bis Tier n) die Menschenrechte einhalten. Dies stellt viele Unternehmen aktuell noch vor massive Herausforderungen und könnte künftig zu Strafzahlungen führen.
Bisher verfolgte Ansätze, um Transparenz in der Lieferkette zu erreichen, zielen darauf ab, die Einhaltung der Menschenrechte in besonders kritischen Bereichen zu beleuchten und zu analysieren. Eine ganzheitliche Betrachtung der Lieferketten für alle Produkte oder Komponenten eines Unternehmens scheitert häufig am enormen (Personal) Aufwand.
Ein weiterer Ansatz ist, Lieferketten schrittweise wieder auszudünnen, um somit die Komplexität zu reduzieren. In einer globalisierten Welt mit einer zunehmenden Spezialisierung von Unternehmen und Industrien ist dieser Weg jedoch für viele Unternehmen nicht realistisch.
Einen Ausweg, um Lieferketten mit vertretbaren Kosten in der Breite und durchgängig transparent nachverfolgen zu können, bietet die Blockchain-Technologie.
Blockchain als Chance
Die Blockchain-Technologie ermöglicht den Austausch von Informationen in dezentralen Netzwerken. Stellen Sie sich vor: Jeder beteiligte Player an der Lieferkette (Produzenten, Logistiker, OEMs) hat eine aktuelle Übersicht (Register) aller durchgeführten Transaktionen. Transaktionen können hierbei z. B. die Weitergabe von Gütern oder auch das Dokumentieren bestimmter Statusinformationen (zum Beispiel die Temperatur des Gutes zu bestimmten Zeitpunkten) sein. Kommen neue Informationen hinzu, wird die Übersicht der Transaktionen bei jedem Beteiligten automatisch aktualisiert.
Der Fortschritt der Blockchain-Technologie liegt darin, dass sie keine zentrale Steuerungsinstanz zur Verwaltung und Verteilung der Daten benötigt. Jeder Netzwerkteilnehmer ist prinzipiell gleichberechtigt, ohne dass ein Einzelner den gesamten Ablauf kontrolliert. Dies stellt den wesentlichen Unterschied zu Plattformkonzepten dar, in denen wenige Akteure die gesamten Abläufe und Informationen in einem Netzwerk kontrollieren. Ein dezentrales Netzwerk über die Blockchain kann somit Anreize setzen, dass sich Unternehmen, die sonst eventuell sogar im Wettbewerb zueinanderstehen, miteinander vernetzen und Informationen austauschen.
Blockchain im Kontext des Lieferkettengesetzes
Im Kontext des Lieferkettengesetzes sind mehrere Anwendungsfälle für die Blockchain-Technologie denkbar und sinnvoll. Blockchain kann ein Baustein für eine effiziente und vertrauenswürdige Einhaltung des Lieferkettengesetzes sein.
1. Blockchain als Lieferantendatenbank
Denkbar ist, dass sich Lieferanten auf einer weltweiten Blockchain registrieren und relevante Informationen, wie z. B. Zertifizierungen, gespeichert werden. Die Zertifizierungen der Lieferanten könnten dabei von vertrauenswürdigen Zertifizierungsstellen digital beglaubigt und durch Hersteller eingesehen werden.
Unternehmen könnten somit über die Blockchain prüfen, welche Standards die Unternehmen einhalten, mit denen sie zusammenarbeiten. Diese Informationen wären somit nur einen Mausklick entfernt und entsprechend kostengünstig verfügbar. Zudem wären die Informationen vertrauenswürdig, da sie nicht vom Lieferanten selbst, sondern von unabhängigen und vertrauenswürdigen Prüforganisationen eingespeist werden. Insbesondere könnten Zertifizierungsstellen die Zertifizierung eines Unternehmens im öffentlichen Register auf der Blockchain jederzeit widerrufen, wenn bei einer Prüfung Verstöße festgestellt werden. Dadurch wäre jeder (potenzielle) Kunde sofort über den Widerruf des Zertifikats informiert.
Die Vergabe der Zertifikate könnte zudem davon abhängig gemacht werden, dass ein Lieferant selbst nur mit zertifizierten Lieferanten zusammenarbeitet. Somit wird die Konformität der gesamten Lieferkette sichergestellt.
2. Blockchain als Tracing-Lösung
Die Blockchain kann jedoch auch „produktorientiert“ eingesetzt werden. Jedem Produkt kann beispielsweise eine eindeutige digitale ID zugeordnet werden, welche in der Blockchain-Lösung registriert wird. Jeder Prozessschritt (insbesondere der Übergang zwischen Lieferanten) könnte automatisch mit der digitalen ID assoziiert und auf der Blockchain dokumentiert werden. Dadurch wird der Weg des Produktes durch die Hände der einzelnen (Sub-)Lieferanten nachvollziehbar. Darüber hinaus können weitere wertvolle Informationen, wie etwa die Einhaltung der Kühlkette, erfasst und nachweisbar gemacht werden (Aktuelles Beispiel: COVID-19-Impfstoff von BioNTech/Pfizer).
Diese Lösungen werden zum Teil heute schon eingesetzt, um beispielsweise Lieferanten von Rohstoffen und deren Einhaltung von Standards zu dokumentieren. Auch für den Endkunden schafft diese Lösung Transparenz, welche Herkunft das eigene Produkt hat. Dies kann ein wesentlicher Baustein zur Steigerung der Glaubwürdigkeit von Qualitätsversprechen sein.
Think big, start small
Zugegeben: Die Einführung von Blockchain in der gesamten Lieferkette bedeutet initial einen erheblichen Aufwand. Lieferanten müssen zur Mitwirkung überzeugt und technische sowie rechtliche Hürden genommen werden. Dass bislang noch kein Lieferkettengesetz umgesetzt wurde, bietet aber eine hervorragende Möglichkeit, um mit überschaubaren Prototypen zu starten und zunächst nur ausgewählte Lieferanten zu integrieren. Darauf aufbauend kann die Lösung kontinuierlich skaliert und der Nutzen erweitert werden. Dadurch generieren Sie einen direkten Mehrwert und sammeln Erfahrung in der Nutzung von Blockchain, welche in Zukunft noch zu deutlich mehr Veränderungen in Wirtschaftsprozessen führen wird.
UNITY begleitet Sie gerne bei der Bewältigung von Herausforderungen im Kontext des Lieferkettengesetzes und bei der Anwendung der Blockchain Technologie.
Jan Weirich
Head of SCM & Logistics